Zuerst zum grossen Plus des Dolomitenhofs: Das Haus liegt an phantastischter Lage mit bestem Blick auf die Sextner Sonnenuhr. Eine exclusive Lage wo man heute wohl keine Baubewilligung mehr bekäme. Als wir letztes Jahr auf einer langen Trekking-Etappe von Cortina d’Ampezzo bis ins Fischleintal spät abends am Dolomitenhof vorbeigerannt sind, kam die Idee auf dieses Jahr eine Woche in der Region die Via Ferrata und Wanderwege zu erkunden.
Wir kennen das Südtirol-Trentino in- und auswendig, haben schon Monate in dieser herrlichen Landschaft verbracht und in +20 Gaststätten/Hotels/Garnis/Berghütten oder aber auch im Zelt übernachtet. Bei den Hotels war Vieles mit dabei, vom 2-Stern bis zum unfassbaren 5-Sterne-Haus Forestis. Heuer war das unsere 4. Reise ins Südtirol.
Der Empfang war wie man es sich im Südtirol gewohnt ist: Herzlich, freundlich, willkommend. Da hörte dann aber auch die klassische Südtiroler Gastfreunschaft auf. Wir kamen um 20:00 an, bis 20:30 kann man im geriatrisch anmutenden Speisesaal aus den 70er-Jahren eine Bestellung aufgeben. Koffer aufs Zimmer, kurz duschen nach einer langen Radfahrt, und ab ins Restaurant. Um 20:20 wurden wir von unserem Kellner forsch darauf hingewiesen, dass wir nun bestellen müssen. Wer das klassische Südtiroler Erlebnis sucht, ist im Dolomitenhof am falschen Ort. Die Bedienung ist grösstenteils unprofessionell, beherrscht auch zu wenig Sprachen. Wir sind auch Italienisch sprechend was bei den meisten kein Problem war. Unsere amerikanischen Tischnachbarn hatten da aber mit dem einen Kandidaten schon ihre Mühe. Den Kritiken zu folgen scheint man mit der Küche grundsätzlich zufrieden zu sein. Wir waren sehr enttäuscht. Ein Raddicchio-Canneloni verkommt auch schnell mal zu einer mit Kartoffelstock gefüllten Teigmasse, garniert mit einem kleinen Blatt Raddicchio. Achtung bei der Menüauswahl, die Gerichte werden auch mal als vegetarisch deklariert, obwohl sie es nicht sind auf Nachfrage. Ein lapidares ‘ging vergessen’ tuts dann auch schon. Es scheint als ob die Eigentümer des Hotels beim Personal sparen wollen. Schade, beim Bett und Personal darf genau nicht gespart werden. Zumal auch an vielen anderen Orten in diesem Hotel gespart wird, hat das Haus die 4 Sterne auf keinen Fall verdient. Die Tische sind definitiv aus den 70er-Jahren, Tischbeine abgewetzt und es scheint, als ob die Menschen vor 50 Jahren signifikant kleiner waren. Die Tischhöhe passt gut für einen Kindertisch. Das Salatbuffet ist praktisch, mehr auch nicht. Die Produkte scheinen Frisch, wer aber wie im Südtirol auch in einem Garni üblich auf ein paar Körner oder Zwiebeln hofft, ist am falschen Ort. Die heilige 3-Faltigkeit am Frühstück, frisches Brot, guter Kaffee, frischgepresster Orangensaft, wird leider nur beim Kaffeeprodukt exzellent erfüllt. Das Brot ist proportioniert, keines kann man selbst schneiden was auf Frische hindeutet. Die Brioches welche Italien-Reisende so lieben sind schmackhaft, aber aufgebacken. Der Käse ist in dünne Scheiben geschnitten, man weiss nicht was man isst. Schade für eine Region welche so guten Käse herstellt. Frischgepressten Orangensaft gibt es nicht. Ob dies wohl wieder Kostengründe sind? Anstatt dessen wir dem Gast ein Entsafter hingestellt, durch welchen er selbst Rüben und Äpfel in ohrenbetäubendem Lärm pressen kann. Eine gute Idee, aber ziemlich unangenehm für die Gäste im Saal. Nach dem Frühstück ist man auf jeden Fall wach! Bestellte Eierspeisen gehen auch mal vergessen und werden vom Servierpersonal mit einem Schulterzucken entschuldigt. Es kann auch vorkommen, dass man Kellner Kaugummi-kauend durch den Speisesaal schlendern sieht. Die Stimmung unter dem Servierpersonal ist morgens wie abends gleich: Auf einem Tiefpunkt so scheint es.
Obwohl wir im März gebucht haben, kriegten wir ein Zimmer auf der ersten Etage. Unbedingt auf ein Zimmer in den höheren Etagen bestehen, denn die sehr hohe Balkonrüstung im 1. Stock vermiest einem den Blick auf die Dolomiten. Das Zimmer war renoviert, aber auch schon wieder in die Jahre gekommen. Das Badezimmer praktisch, ansonsten kein Ort wo man sich unbedingt länger aufhalten will, aber sicherlich grundsolide. Das Bett ist von schlechter Qualität. Bettfedern machten sich oft laut bemerkbar, das Schaumstoffkissen (!) ist von billigster Aldi-Qualität. Es empfiehlt sich sein eigenes mitzunehmen. Ich habe gelesen man könne auch ein anderes verlangen. Da frag ich mich, warum man sein Gäste nicht von Anfang an ohne Nachfrage komfortabel betten will? Ausserdem ist jedes Nachfragen, jede Reklamation welche man anbringen muss einen Grund mehr für ein getrübtes Ferienerlebnis, daher bin ich wohl auch selber Schuld und akzeptiere die Dinge einfach wie sie sind, obwohl wir immer wieder hie und da leise Kritik anbrachten.
Das Spa ist ebenfalls schon ein bisschen in die Jahre geommen. Bestimmt hat man die letzten 10 Jahre keinen Cent in die Anlage investiert. Es ist ganz OK, aber kann mit vergleichbaren Anlagen der Südtiroler Konkurrenz in derselben Sterneklasse nicht kaum mithalten. Der Blick vom Aussenpool auf die Dolomiten ist gigantisch. Die Liegewiese phantastisch und die Möbel von erstaunlich guter Qualität wenn man bedenkt, wo überall gespart wird. Das Hallenbad tut seinen Dienst, ist aber eher unsexy. Am Beckenrand steht ein ‘i-Swim’ welcher betagte Gäste ins Wasser hieven kann. Toll und schön, und ohne despektierlich zu sein widerspiegelt dies jedoch auch das Publikum im Hotel. Wer auf sportliches, junges Ambiente hofft, ist beim Dolomitenhof am falschen Ort. Deshalb verkommt wohl auch die altertümliche Bar zur Farce, denn dort hat sich nie ein Mensch aufgehalten. Kein Ort der Fröhlichkeit, um 9pm ist Lichterlöschen bei den meisten Gästen. Wir haben dies falsch eingeschätzt. Mea Culpa. Zurück zum Spa. Das Kaltbecken im Aussenbereich ist super nach einem Saunagang in der grosszügigen finnischen Sauna, die ebenfalls praktisch ist. Leider wird man beim Nacktbaden aber durch die Panoramafensterscheibe von Gästen im Ruhebereich beobachtet. Nicht sehr smart gelöst. Der Ruhebereich wird dann auch immer wieder lautstark mit der zuschnellenden Aussentür durchschallt. Man wünschte sich mehr Ruhe.
Was uns dann zur verfrühten Abreise bewog war der Fakt, dass wir morgens um 8am nach einer Laufsporteinheit durch die dann offiziell bereits geöffnete Ruhehalle zum Kaltbecken liefen. Mitten im Spa-Bereich lag auf einer hergerichteten Matratze ein offensichtlich alkoholisierter Musiker, welcher am Vorabend eine Vorstellung hatte. Im Ruheraum lag ein zweiter auf dem Wasserbett. Schon eher komisch?! Jetzt kann man sagen wir seine etwas prude, aber ich denke diese Situation kam zustande, weil die Besitzer schlicht komplett abwesend scheinen. Man liest sie würden sich den Gästen nicht als ‘Eigentümer’ oder ‘Chefs’ aufdrängen, und bleiben daher im Hintergrund. Eine interessante Theorie, welche aber zum scheitern verurteilt ist. Unsere Tischnachbarn munkelten, dass das Besitzerehepaar sich wohl nicht für den altertümlichen Speisesaal entschuldigen wollten. Die eigentlich nie besetzte Reception am Spa habe ich vergessen. Saunatücher liegen keine auf. Im Zimmer gibts pro Gast eines. Wenn man ein aktiver Saunagänger ist, benötigt man zwei Tücher. Es liegen keine auf. Auch hier wird wohl gespart? Bin ein Fan von nachhaltigem Wirtschaften, aber wenn die Hygiene drunter leidet bevorzuge ich ein zweites Saunatuch. Ein Mal hat sich jemand an der Reception gezeigt. Auf die Frage wo dann die Saunatücher seien, gabs erst Mal kein Hallo oder dergleichen, sondern lediglich ein Fingerzeig, dann zwei um implizit zu fragen, ob ich eines oder zwei wolle. An den anderen Tagen war die Dame nicht mehr anwesend. Eventuell macht sie auch Massagen, man spart hier wohl auch am Personal. Dieselbe Dame hat uns dann auch noch ziemlich forsch darauf hingewiesen, dass die Saunatüre gefälligst geschlossen werden solle. Eine Selbstverständlichkeit, das muss ein Missgeschick gewesen sein. Eine nettes Hinweisen wäre eventuell auch was gewesen?
Der lange, unterirdische Gang vom Dolomitenhof in die Spa-Anlage erinnerte mich an meine Militärzeit, wo ich in alten Zivilschutzanlagen nächtigen musste. Farbe blättert von der Wand, suspekte Dekorierung hängt teils nur noch als Bruchteil von der Decke, kein netter Anblick auf dem Weg in eine Spa-Landschaft.
Es mag sein, dass die Eigentümer die nostalgische Pflege und Investition in das Haus als gemütlich erachten. Wir taten es nicht und waren insbesondere im Vergleich mit allen anderen Südtirol-Erlebnissen arg enttäuscht, vor allem über den Service. Wie gesagt war die nette Dame am Empfang die löbliche Ausnahme.
Das Haus hat enormes Potential. Aber es benötigt ziemliche Investitionen um mehr Wertschöpfung zu generieren. Das Flickwerk macht touristisch gesehen meiner Meinung nach keinen Sinn.