Geht man nach den Rezensionen, so scheiden sich am Ai Ciodi wohl die Geister. Trotzdem sind wir hingefahren, auf den Rat unserer Freunde aus Marano Lagunare hin, und auch weil heftiger Wind und Seegang auf dem offenen Meer ein gemütliches Cruisen in der Lagune von...Marano (oder Grado, je wie man es sehen will) ratsamer erschienen liessen. Denn zur Trattoria Ai Ciodi, die am südwestlichen Ende der völlig unspektakulären Insel Anfora liegt, kommt man nur mit dem Schiff. Entweder mit dem Ausflugsdampfer oder Wassertaxi von Grado aus, oder eben mit dem eigenen Motorboot. Hat man dann einen Liegeplatz an der hauseigenen Pier gefunden, erreicht man nach wenigen Schritten die Trattoria mit einem großen Gastgarten unter schattigen Bäumen. Ja, man sitzt auf Bierbänken, und das Geschirr ist einfach. Aber so sitzt man auch in der noblen Münchner Menterschwaige oder im Hirschgarten, und keiner meckert. Die Atmosphäre ist leger-maritim, von Familien mit kleinen Kindern und Pauschaltouristen bis zu Yachtpeople mit 60-Fuß-Schiffen (größere passen nicht in den engen Lagunenkanal) ist alles möglich. Man fühlt sich in der Tat wie in einem oberbayerischen Biergarten, nur halt mit mediterranem Flair und Seebrise. Die Speisekarte ist dominiert von frischem Fisch und Meeresfrüchten aus der Lagune und der offenen Adria. Am Eingang steht eine große Schiefertafel, auf der die aktuellen Fänge verzeichnet sind, und auch wieviel Stück der jeweiligen Art noch verfügbar sind. Klassisch wird der Fisch dann gegrillt, oder auch in Weisswein gesotten. An Fleischgerichte können wir uns ehrlich nicht erinnern, wer hier her kommt, will etwas aus dem Meer. Als Vorspeise wählten wir eine Spezialität, die man so, und in der Qualität und Portionsgröße, nur hier bekommt: Am Holzfeuer gegrillte Capelunghe, Schwertmuscheln, die ab Juni an der Adria Saison haben und ein wunderbar süßes, zartes Fleisch haben. Während anderswo die Capelunghe nach Stück abgezählt werden, bekommt man im Ai Ciodi einen randvollen Teller mit weisser Polenta, zu moderaten 16 Euro pro Portion. Auch der Hauptgang, ganz klassisches Fritto Misto, war grundehrliche Fischer-Hausmannskost und passte perfekt für ein Mittagessen an einem heissen Sommertag. Als Weine gibt es, neben einem ordentlichen Hauswein, eine sehr gute Auswahl von Lagenweinen aus dem Friaul und Julisch-Venetien, und, besonders lobenswert, sehr interessante Spumanti von Winzern der Region. Auch hier die Preise absolut angemessen, ab ca. 25 Euro die Flasche. Der Service war flink und freundlich. Obwohl das Haus gut besucht war, wurde uns gleich ein schöner Platz hergerichtet. Man sitzt allerdings nicht allein am Tisch, was aber bald zu anregenden Gesprächen über Seefahrt und gute Weine führte. Eine Fischerbude eben. Etwas speziell in der Tat die sanitären Anlagen. Es gibt nur ein Stehklo, so wie es heute noch in Süditalien, der Türkei oder den arabischen Ländern abseits der Touristenzentren üblich ist. Damit könnte sich der weitgereiste Autor durchaus noch abfinden. Ärgerlich nur, dass es keine Möglichkeit zum Händewaschen gibt. Hier sollte der Wirt wirklich mal etwas investieren. Bis dahin die dringende Empfehlung, Handdesinfektionsmittel oder Feuchttücher mitzunehmen. Dieser kleine Mangel hat aber den positiven Gesamteindruck dieses sympathischen Fischrestaurants nicht getrübt. FAZIT: Eine authentische Fischerbude mit besonderen Flair, die tagesfrischen Fisch und Meeresfrüchte auf traditionelle, unverfälschte Art zurbereitet und auch anspruchsvolle Fischliebhaber zufriedenstellt. Sehr gute Weine und Sekte der Region. Angemessene, sehr moderate Preise. Geeignet für Pärchen und Familien gleichermaßen, schon die Anreise per Schiff ist ein Erlebnis. Da werden wir wieder anlegen!Mehr